Quo vadis? Eine kleine Gesellschaftskritik
- Claude
- 1. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Vor kurzem hatte ich wieder einmal ein Aha-Erlebnis, das ich euch nicht vorenthalten will. Hierzu muss ich ein wenig weiter ausholen ...
Zuerst – und das ist eigentlich schon bezeichnend – möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich weder gelangweilt noch frustriert bin. Vielleicht sehe ich das Ganze mit meiner 40-jährigen Erfahrung als Ex-Polizist einfach anders. Heutzutage scheint ja niemand mehr Wert auf Erfahrung zu legen. Alle Fehler müssen offenbar wiederholt werden – mit allen Konsequenzen und Kosten.

Meine kleine Geschichte ist tatsächlich nicht weltbewegend. Es handelt sich um Übertretungen, also zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Luxemburg gemäß großherzoglichem Reglement vom 14. Dezember 2001 jeweils mit 24 € Strafe belegt sind. (Die 24 € sind eine einfache Umrechnung des ursprünglichen Betrags von 1.000 Franken aus dem Jahr 1976, angepasst 1986.)
P005 03 – 24 €: Ausübung der Fischerei mit den Füßen im Wasser (Watfischen), ausgenommen das Fliegenfischen in der Sauer.
P004 03 – 24 €: Ausübung der Fischerei von einem Boot oder einer ähnlichen Einrichtung, oder von einem schwimmenden oder festen Gerät, das als solches dient, ohne im Besitz der speziellen Genehmigung zu sein.
Wobei die Strafbestimmungen zu P004 03 irreführend sind, denn der eigentliche Artikel besagt:
(1) Der Fischfang mit der Handangel darf – unbeschadet der Ausnahmen in Artikel 5 Nr. 3 (Fliegenfischen) und Artikel 6 (Bootsfischen) – nur vom Ufer aus erfolgen. Als Ufer gelten nicht: Inseln, Brücken und die an das Wasser angrenzenden Teile von Schleusen, Wehren, Kraftwerksanlagen, Stegen und schwimmenden Anlegern.
So mancher wird sich jetzt fragen: Wieso dürfen Fliegenfischer im Wasser waten – und andere nicht?
Unbeschadet meiner eigenen Meinung sage ich nur: Weil es so im Gesetz steht!
Dies gibt weder dem Bürger noch den Kontrollinstanzen Spielraum – mal abgesehen davon, dass diese Geldstrafen seit 1976 nicht angepasst wurden und lächerlich niedrig sind.
Zurück zum Punkt:
Ich fische also in Langsur, unterhalb des alten Wehrs in der Grenzsauer, und sehe drei Spinnfischer, die auf dem Wehr angeln und dabei beständig durchs Wasser waten.
Ich schaue dem Spiel eine Weile zu, beschließe dann aber, die jungen Leute auf ihre Übertretung aufmerksam zu machen.

Ich teile ihnen mit, dass sie erstens nicht auf der Wehrmauer stehen dürfen, um zu fischen, und zweitens als Spinnfischer nicht durch die Sauer waten dürfen.(Ich höre hinter meinem inneren Ohr schon wieder einige „Gutbürger“ sagen: „Wieso mischt der sich ein? Der ist doch jetzt Rentner! Und überhaupt – lass die Jungs doch angeln! Was tun sie denn Böses ...“)
Als Antwort ernte ich sofort Beleidigungen:
„Verdienst du dir hier ein Sternchen?“
„Ich lasse mir heute von meiner Freundin einen bl*** – das wird dir nicht widerfahren …“
Außerdem zeigen sie absolute Unkenntnis der Gesetze:„Wir haben doch einen Bootsschein …“, gefolgt von Aussagen wie:„Setzt du deine Fische immer zurück? Das ist in Deutschland verboten.“„In Luxemburg darf man mit lebendem Köderfisch angeln – in Deutschland wird das bestraft!“
Auf meine Frage, ob sie nun das Wasser verlassen, bekomme ich als Antwort:„Ganz sicher nicht.“
Da die Prügelstrafe ja abgeschafft ist – und ich ehrlich gesagt als 59-Jähriger nicht mehr den Hauch einer Chance bei einer Rauferei mit drei jungen Männern gehabt hätte –, beschloss ich, die Polizei anzurufen.
Da wir näher an der deutschen Seite standen, habe ich über die 110 die Polizei verständigt und wurde mit der Leitstelle Trier verbunden. Nachdem ich meine Geschichte erzählt hatte, meinte der Beamte, es könnte aber länger dauern, bis jemand komme – es sei viel los.
(Das konnte ich natürlich nicht überprüfen – und da die Jungs nicht wie erhofft spätestens jetzt das Weite suchten, warteten wir … auf eine Polizei, die nicht kam.)
Nach einer Weile rief dann einer der Jungs selbst bei der Polizei Trier an und kam anschließend auf mich zu, um mir mitzuteilen (was ich natürlich nicht überprüfen konnte), dass der Beamte ihm gesagt habe: Es komme niemand – sie (die drei) sollen ruhig weiterangeln, es sei ja schönes Wetter.
Das haben sie dann auch gemacht.
Da stand ich nun, ich armer Tor, und war so enttäuscht wie selten zuvor.
Ich hätte noch die Möglichkeit gehabt, bei der luxemburgischen Polizei anzurufen, oder beim Zoll, oder vielleicht beim Gemeindepolizisten aus Wasserbillig – wobei ich bezweifle, dass der um 19:30 Uhr noch arbeitet.Ich habe es dann dabei belassen und ging meiner Wege.
Und die Moral von der Geschicht?
Nur wenige Menschen sind noch bereit, sich an elementare Regeln zu halten.Ich spreche hier nicht von unsinnigen Regeln – davon haben wir ebenfalls genug –, nein: Es geht um die Basis.
Das Fatale ist, dass unsere Gesellschaft solches Verhalten toleriert und als nichtig abtut. Unsere Politik schafft mittlerweile andauernd neue „Papiertiger“ – es geht nur noch darum, den Schein zu wahren.
Unsere Justiz versteckt sich hinter einem Berg von Arbeit. Unsere Polizei fühlt sich für die „kleinen Sünden“ nicht mehr zuständig. Dafür gibt es nun sogenannte „Ranger“ oder „Naturüberwachungsagenten“. Sie sollen auf die Einhaltung der Regeln achten – in der Realität aber haben sie keinerlei Rechte und dürfen nicht einmal Bußgelder ausstellen.
Unsere Gesellschaft ist dazu verdammt, sich selbst zu helfen – alte Regeln gelten nicht mehr.Resultat: Wenn der Staat und die Justiz ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht werden, wird der Bürger eines Tages auch auf das Recht des Stärkeren zurückgreifen. Die „Großen“ dieser Welt machen es vor – und das wird kein gutes Ende nehmen …
CS

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